Am 9. November, ab 17:00 Uhr, wurde in Mengede der Pogromnacht von vor 78 Jahren gedacht.
Die Nationalsozialisten zerstörten in der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 tausende jüdische
Synagogen, Geschäfte und Friedhöfe und ermordeten mehrere hundert Menschen. Annähernd
30.000 Verhaftete wurden in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen deportiert.
Das Netzwerk gegen Rechts im Stadtbezirk Mengede traf sich mit gleichgesinnten Schülerinnen und Schülern
(darunter auch die zwei SV-Vertreter Marouam und Sabine aus der 9b der ASR), Eltern, Lehrkräften und
ortsansässigen Politikern um 17:00 Uhr am Amtshaus in Dortmund-Mengede, um von da aus mit Kerzen
nach „Alt“-Mengede zu gehen. Am Haus Williburgstraße 6 wurde eine Gedenkminute eingelegt, bei der
Bezirksbürgermeister Willi Tölch rührende Worte fand und einen aktuellen Gegenwartsbezug mit einbrachte.
Vor dem Haus befinden sich Stolpersteine zur Erinnerung an Salomon und Else Heimberg, die 1942 bzw. 1945
von den Nazis ermordet wurden. Das Haus diente zudem als Sammelunterkunft, bevor die jüdischen Einwohner
des Stadtbezirks in die Konzentrationslager deportiert wurden.
Anschließend fand um ca. 17.30 Uhr in der katholischen St. Remigiuskirche eine kleine Andacht statt, die von
der Gruppe Romberg Klezmer musikalisch begleitet wurde, deren Musik vielen Anwesenden „unter die Haut ging“
Danach wurden im Gemeindehaus Fingerfood und Getränke gereicht. Hier trug der vom ASR-Schulsozialarbeiter
Sven Eeckhout engagierte Dr. Hans-Jürgen Zacher eine Lesung seiner Geschichte „Vern: Ich suchte einen
Zeitzeugen und fand einen Freund“ vor.
Die Teilnehmer hingen bei seinen teilweise lebhaften und zeitweise ergreifenden Erzählungen an seinen Lippen.
Auch Sven Eeckhout, Marouam und Sabine mussten zwischendurch bei Zachers Schilderungen mit den Tränen ringen.
Vern ist die autobiografische, sehr persönliche und anrührende Geschichte einer einzigartigen Freundschaft.
Nach langen Recherchen im Rahmen seiner Dissertation über die im Dritten Reich zerstörte Jüdische Gemeinde
in Werl/Westfalen stößt Hans-Jürgen Zacher 1986 auf einen fast 70-jährigen jüdischen Mann, der nach
der Pogromnacht als 14-Jähriger mit einem Kindertransport Deutschland verlassen musste. Es ist Werner Halle,
Sohn des letzten Vorstehers der Jüdischen Gemeinde zu Werl.
Nach großen Schwierigkeiten schafft es der Autor, Werner bzw. jetzt Vern in England aufzusuchen. Doch Vern kann
– oder will – sich offenbar nicht mehr an seine Kindheit erinnern. Erzählt wird nicht nur die Geschichte
eines jüdischen Jungen in der NS-Zeit. Erzählt wird auch die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft:
wie sie entstand, sich entwickelte und zu einem unverzichtbaren Bestandteil beider Leben wurde. Sie hängt eng
zusammen mit der Geschichte des alten jüdischen Mannes, der zu seinen Kindheitsstätten nach über 60 Jahren zurückfindet.
Für Dr. Hans-Jürgen Zachers Engagement gegen das Vergessen und für Aussöhnung und Aufarbeitung sowie
seinen Einsatz für den interreligiösen Dialog, für Demokratie und Toleranz bedankte sich das Netzwerk
gegen Rechts des Stadtbezirks Mengede auf Initiative von Sven Eeckhout, mit einer Akazienpflanzung
in Galiläa/ Nord-Israel.
Von der Veranstaltung geht die eindringliche Mahnung aus: Es ist wichtig, die Vergangenheit nicht zu vergessen!